Linda Reif & Andreas Waldén
Jeder Tag dieser Woche vereint alle Jahreszeiten in sich. Das ist seltsam. Nicht so seltsam wie die Wüste, eher wie das Innere eines Flugzeuges. Es ist so heiß, dass die Hände vom Schweiss kleben, dann so kalt, dass die Handgelenke schmerzen. Der Wind ist scharf, bitter und riecht alt. Die Sonne späht gerade hinter ihrem Schatten hervor, während ich dies schreibe. Der Arm eines Kranes fährt an meinem Fenster vorbei. Es sieht aus als würde er die Wolken über den Himmel schieben. Der Winter macht keinen Sinn mehr.
Linda stellt “big dick paintings” mit Hilfe der Sonne her. Sie wartet bis sie erscheinen, nachdem sie mit Chemikalien bearbeitet wurden. Jede Oberfläche ist ein Neuanfang und eine Ende. Jedes Bild unterstützt die Dokumentation der Sonnenbahn. Manche sind Zitate der gestischen Malerei der “harten Jungs” im Nachkriegs-New York. Manche sind schmal und seltsam geformt. Zusammengestellt werden sie zu Persönlichkeiten, jede ihrer Gesten erzählerisch. Kapitel bewegen sich langsam und hartnäckig vorwärts. Ihre Gallenblase wurde erst vor kurzem entfernt. Sie experimentiert viel in der Dunkelkammer, braucht jedoch keine Kamera mehr. Ich verstehe den Belichtungsprozess nicht wirklich. Sie meint, es sei schwer diesen vorherzusagen.
Andreas verwendet Linien, um die Zeitlichkeit des Trägermaterials zu markieren. Farbe kommt und geht, überbrückt Zwischenraum und bringt den zeitlichen Ablauf durcheinander. Jede Oberfläche ist ein Neuanfang und eine Ende. Sie sind ansprechend in ihrem Auftreten und erzählen ihre eigenen Geschichten. Manche sehen aus wie Geschwister. Manche tun das nicht. Seine Linien sind flach und bilden Grüppchen, die zu Gebieten werden. Sie schweben über der Oberfläche und zittern. Bisweilen verdichten sie den Raum, dann wiederum trennen sie ihn und wecken Neugier auf perspektivische Tiefe. Er sieht mit kurzem Haar viel jünger aus. Manche seiner Arbeiten öffnen sich zur sie umgebenden Architektur hin, andere sind stur und selbstbezogen. Ich möchte gerne glauben, dass es in seinen Arbeiten um die Freude am Finden und Verlieren von Raum geht.
Linda und Andreas arbeiten im selben Raum. Sie teilen Bett, Küche und Bad miteinander. Sie sehen gemeinsam fern und sprechen eine Sprache, die nicht ihre Muttersprache ist, um miteinander zu kommunizieren. Sie übernehmen Formen und Gedanken über Materialität, Oberflächen und Markierungen voneinander und spielen sie wieder zurück. Die Wände in dieser Ausstellung zeigen die bearbeiteten Aufzeichnungen ihrer Gespräche. Diese sind nicht chronologisch, aber bilden die Zeit ab.
Seth Weiner
Wien, Februar 2020
Übersetzung: Claudia Slanar
Freitag, 06.03.2020, 19 Uhr
07.03.2020 - 12.06.2020