No Man Is Big Enough for My Arms
Curated by Goschka Gawlik
Karolina Jablonska – eine der bekanntesten jungen Vertreterinnen der neuen Malerei in Polen – schloss vor drei Jahren ihre Diplomarbeit an der Akademie der Schönen Künste in Krakau ab und seit dem entwickelt sie dynamisch Schritt für Schritt ihre künstlerische Karriere. Sie arbeitet sowohl individuell als auch in kollaborativer Praxis. Sie ist keine „Ausnahmefrau“ in einem Krakauer Künstler-Trio, das gleichzeitig eine Galerie, einen Verlag sowie das gemeinsame Kuratieren von Ausstellungen betreibt und sich einen Erfolg heraufbeschwörend Potencja (Potenz) nennt. Die seit 2012 agierende Potencja hat mit ihren performativen Aktivitäten und dunklen, Bild-starken Formaten längst auch die heimische Kunstszene erobert.
In der Wiener Galerie Works on Paper zeigt die bravouröse Malerin ihre Arbeiten auf Papier, die sie parallel zu ihrer Malerei schafft. Sowohl in ihrer Malkunst als auch in den Papierarbeiten bleibt die menschliche Figur dominant und ein einprägsamer Stil – ein Oszillieren zwischen plakativer popartiger Expression, volkstümlicher Vereinfachung der opulenten Formen sowie das Spiel mit schwindelerregender Perspektive, die stets wie eine monströse Vergrößerungslinse funktioniert. Im Blickpunkt Jablonskas Werke auf Papier, die sie selbst als „im Dunkeln“ bezeichnet, stehen in quälender Zeitlupe Motive der Gewalt, des sexuellen Begehrens, Rivalität und erotische Intimität, also Sujets, welche die vorangegangene Malergeneration vermieden hat, bzw. nicht in solcher drastischen, irritierenden, subjektiven Formgebung zum Vorschein brachte. Bereits ihre früheren Bilder setzten sich mit diversen kunsthistorischen Modellen von Weiblichkeit (Rousseau, Munch, Gentileschi) auseinander, deren Output Jablonska dem asymmetrischen Gleichgewicht der Geschlechter gemäß in endloser Schleife manchmal humorvoll mit Hinweisen auf Kitsch, Fabeln, Selfies oder andere popkulturelle Bildfindung konterkarierte. Nicht zuletzt noch vor kurzem sind schwarz angezogene Frauen mit schwarzen Regenschirmen in ihrer Heimat mehrmals auf die Straße gegangen, um für ihre Rechte und gegen die Kontrolle über ihre Körper zu protestieren. Öfters werden die Gesichter ihrer Figuren durch Strumpfmasken verdeckt bzw. sind diese kaum sichtbar, dafür aber stechen starr geöffnete Augen oder weit aufgerissene Münde aus der Dunkelheit heraus, die Anonymität der dargestellten Subjekte zugunsten ihrer milieuspezifischen Handlungen betonen. Somit entsteht der Eindruck der subversiven Rebellion gegen jegliche übergeordnete Machtausübung wie auch gegen den männlichen Missbrauch an Frauen insbesondere. Manchmal handelt es sich auch nur um Aspekte ritueller Überlebenskämpfe. Die räumlichen Verzerrungen und befremdlichen Close-ups der Figuren samt der dramatisierten Fragmentierung der Körper und die Platzierung der angefertigten kleineren Blätter in schwarzen Glaskästchen – wie innerhalb von Bildschirmen – markieren die Verschiebung der visuellen Macht von physisch zu digital.
In den aktuellen gezeigten Werken arbeitet Jablonska gewöhnlich mit Schablonen, die sie gekonnt mit einem Spray in differenzierten schwarz-grau Schattierungen und gelegentlich zusätzlich mit der Farbe Rosa bearbeitet. Ihre einprägsamen Images wirken grotesk und poetisch, brutal und zart, konventionell und experimentell in einem. Die Malerin spricht darin die existenziellen Konflikte junger Menschen und ihre zwielichtigen Launen und Zwiespältigkeitan bis hin zu peinlichen Gewaltexzessen, Wutausbrüchen und unerwarteten Spukaktionen. Die fließenden Körper und ihre an die Sinne appellierende glatte Oberflächenerscheinung, die wahrgenommen werden möchte, verdanken sich dem Einfluss der bildlichen Kommunikation in sozialen Medien zwischen Love, Care und Körper-Horror im digitalen Kapitalismus und scheinen eher einem mündlichen als bildimmanenten Charakter zu entsprechen. Demzufolge ist die Ontologie Jablonskas Bildwelten mit dem Überfluss an signalhaften Inhalten und den zirkulierenden Formen, die den schrägen Assoziationen und schmerzhaften Empfindungen lauschen, fluktuierend und flimmernd. Auch die sich daraus ergebenden Bedeutungen sind flüchtig und vorübergehend. Ihre Botschaften alias visuelle Sprache ähneln vielmehr Relationen in digitalen sozialen Netzwerken als bloß behavioristischen Verhaltensmustern im Realen. Und trotz dieses Widerspruchs nehmen wir Jablonskas Visionen wahrer als sie es selbst sind.
In ihren Werken verpflichtet sich die Malerin nicht ausschließlich feministischer Züchtung: die Explosion der (antagonistischen) Emotionen und ihr inneres Feuer richten sich vielmehr gegen jegliche Art der Unterdrückung und Aggression und für das bessere Jetzt. Für ihre Arbeiten auf Papier und collagierte Video-Loops, die aktuell gezeigt werden, eignet sich die Künstlerin als Referenz den Titel eines Popsongs an, den sie einmal im Radio hörte. „No man is big enough for my arms” ist ein Zitat von Suzanne Mallouk, der Partnerin von Jean-Michel Basquiat, das im Lied des französisch-kubanischen, feministischen Zwillings-Duos Ibey mit der Zuversicht an die bessere Zukunft gesungen wird. Trotz der Bewunderung für den Glauben an die ursächliche Kraft einiger ruhmreicher Einstellungen und Absichten (einschließlich künstlerischer), fällt es dennoch schwer, diese im Leben stets zu erfüllen, was, wie Jablonska feststellt, zu Konfrontation, Gewalt, Hate Speech und anderen bitteren Enttäuschungen führt. Über diese emotionellen Spannungen erzählt sie in ihren Werken modifizierend in Anlehnung an die gegenwärtige Selfies Bildtechnik an. Diese gibt ihrer Ausdrucksweise einen neuen Antrieb, der sich im breiten Spektrum an Mimik, Posen und Gestik manifestiert, die, semantisch mit Vorbildern aus der Kunstgeschichte, Pop- und Celebrity-Kultur zu Artefakten verdichtet, gefiltert und gesteigert werden.
Goschka Gawlik
21.06.2019, 19 Uhr
22.06.2019 - 30.09.2019